Am 27. Mai 2020 wurde mit der 4. Next Façade Session erstmals ein Event aus dem Next Studio in Frankfurt als Livestream übertragen. Bei der als Diskussionsrunde konzipierten Veranstaltung drehte sich alles um die Möglichkeiten von 3D-gedruckten Fassadenknoten bei der Gestaltung, Planung und Realisierung von Freiformfassaden. Außergewöhnliche architektonische Fassadenkonzepte mit komplexen Geometrien und
polygonalen Formen liegen mehr denn je im Trend. Vor diesem Hintergrund haben sich fünf Partner zusammengeschlossen, um gemeinsam
einen komplett frei formbaren Fassadenknoten für Aluminiumprofilsysteme zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Dabei decken die Beteiligten von der Forschung bis zur Montage auf der Baustelle alle wichtigen Bereiche ab.
Während Prof. Dr. Ulrich Knaack (TU Darmstadt, Institut für Statik und Konstruktion) seine jahrelange Expertise in puncto 3D-Druck und additive Fertigungsverfahren mit einbringt, befasst sich Martin Manegold von imagine computation mit den digitalen Prozessen der Knoten-Generierung. Als 3D-Druck-Experten setzen Kai Kegelmann (Kegelmann Technik GmbH) und sein Team die modellierten Knoten mithilfe modernster Drucktechnik um. Und Martin Rossmanith (Rossmanith Fenster + Fassade) ist schließlich derjenige, der über die benötigte Praxis-erfahrung eines seit Jahrzehnten etablierten Fassadenbauers verfügt. Unterstützt wird die Initiative vom Aluminiumsystemhaus WICONA – bei der Diskussionsrunde in Person von Dr. Werner Jager (Geschäftsführer Technisches Marketing).
„Alles realisierbar“
Im Laufe der rund einstündigen, von Martin Prösler (Prösler Kommunikation) moderierten Next Façade Session stellten die Experten das gemeinsame Projekt vor und erläuterten dabei die technischen und gestalterischen Möglichkeiten von 3D-gedruckten Fassadenknoten. Gleich zu Beginn machte Knaack klar: „Unsere Entwicklung ist marktbereit. Mit unserer Lösung kann man alles realisieren, was krumm ist in der Fassade – das eröffnet völlig neue Gestaltungsoptionen für Architekten.“ Dem stimmte Manegold zu. Der monolithische Knoten diene als Verbindung gerader Verbindungselemente und ermögliche eine nahezu unbegrenzte Flexibilität der Konstruktion von Element- als auch Pfosten-/ Riegel-Fassaden. Von klassisch rechtwinkligen über polygonale Geometrien bis hin zur kompletten Freiform sei alles machbar, so der 3D-Experte. Und zwar präzise, scharfkantig und ohne Schweißnähte. Nicht zuletzt eigne sich der Knoten auch als individuelles Gestaltungselement im Innenraum.
Prozesssicher und realisierbar Als Fassadenbauer wies Rossmanith vor allem darauf hin, dass der Knoten eine hohe Prozesssicherheit und eine sehr gute handwerkliche Realisierbarkeit in der Montagepraxis biete. „Bisher mussten wir bei Freiformen Einschieblinge nutzen, Knoten schweißen und Profile sehr aufwändig zuschneiden.“ Die Bearbeitung sei mit dem neuen 3D-Knoten deutlich einfacher – die Profilbearbeitung beschränke sich auf einen einfachen Kappschnitt und die Verbindung erfolge fast wie bei den Bausätzen von „Fischertechnik“. Damit sind technisch komplexe Herausforderungen sicher und mit hochwertiger Qualität umsetzbar – absolut verlässlich und reproduzierbar. Rossmanith: „Das hilft Fassadenbauern insbesondere im Hinblick auf den zunehmenden Zeit- und Kostendruck, aber auch hinsichtlich des auch in unserer Branche spürbaren Fachkräftemangels enorm.“
Komplexität in den Knoten überführt
Als Experte für additive Fertigung und 3DDruckverfahren hob Kegelmann den intelligenten Ansatz des Knotenkonzepts hervor. „Das klassische Strangpressprofil kann bleiben und die komplette Komplexität wird in den Knoten überführt.“ Dazu komme, dass die Produktion mannlos und ohne Werkzeugvorbereitung läuft – direkt aus dem 3D-Modell auf die Maschine, skalierbar und immer in gleicher Qualität. Auch hinsichtlich der Materialwahl sei vieles möglich, so Kai Kegelmann: „Wir können alle schweißbaren Metalle drucken und erreichen im 3D-Druck sogar bessere Festigkeiten als bei klassischen Gussteilen.“
Verbindung von Standard mit Individualität
Dr. Werner Jager (WICONA) führte aus, dass die Nachfrage nach 3-Dimensionalität im urbanen Raum immer mehr zunehme – aus gutem Grund: „Wir können mit 3D-Elementen nicht nur außergewöhnliche Formen realisieren, sondern zum Beispiel auch Windlasten verteilen, Schall streuen und die Erhitzung von Fassaden reduzieren.“ Als Systemhersteller sehe man mit dieser Innovation vor allem die Möglichkeit, bewährte Pfosten-Riegelbeziehungsweise Aluminiumprofile mit komplett frei plan- und herstellbaren Fassadenknoten zu kombinieren und so noch individuellere Gebäudearchitekturen und Designvarianten zu ermöglichen. Gefragt nach der bauaufsichtlichen Zulassung des marktreifen Systems, zeigten sich die Experten zuversichtlich. Derzeit seien Zustimmungen im Einzelfall beim DiBt notwendig, jedoch sei das System grundsätzlich nicht anders zu handhaben als Fassadenknoten aus Guss oder geschweißtem Metall. Somit müsse eine baldige bauaufsichtliche Zulassung durchaus machbar sein. Auch die Wirtschaftlichkeit sei gegeben – immer abhängig natürlich vom Projekt und der Komplexität der Fassadenlösung. Komplett auf YouTube Zum Abschluss des Livestreams hatten die Zuschauer die Möglichkeit, per Chat Fragen direkt an die Expertenrunde zu stellen – was intensiv genutzt wurde. Warum werden die Knoten nicht besser gefräst? Oder auch: Wie erfolgt der statische Nachweis und die Prüfung der 3D-gedruckten Knoten? All dies beantworteten die beteiligten Partner ausführlich. Die Aufzeichnung des kompletten Events ist über den YouTube Kanal des Next Studio abrufbar.
Quelle: bauelemente-bau.eu 06+07/20
Fotos: Mediashots / WICONA